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26.09.2022

Bierbach / Königsberger-Ludwig: Ärzte im Bezirk Gmünd schmerzlich vermisst

Im Bezirk Gmünd fehlen Haus- und Fachärzte mit Kassenvertrag. „Dass mehr Ärzte benötigt werden, liegt daran, dass die Lebenserwartung steigt und damit der Anteil alter und kranker Menschen. Doch nicht nur für sie fehlen Ärzte, sondern auch für die kleinen und jüngeren PatientInnen“, erklärt SPÖ Bezirksvorsitzender, Stadtrat Michael Bierbach, der einen Überblick über die ärztliche Versorgung im Bezirk Gmünd gibt, in dem 36.085 Menschen leben. Jeweils 1.718 kommen auf eine/n AllgemeinmedizinerIn mit Kassenvertrag. Auf FachärztInnen mit Kassenvertrag kommen im Bereich Innere Medizin 12.028 BürgerInnen, in der Kinder- und Jugendheilkunde 4.435 Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre, in der Urologie 5.574 Männer über 60 Jahre, in der Gynäkologie 18.119 Frauen, in der Augenheilkunde und Optometrie und bei Lungenerkrankungen 36.085 PatientInnen.


„In vielen Gemeinden gebe es gar keine AllgemeinmedizinerInnen mit Kassenvertrag mehr. Es ist offensichtlich: Ärzte werden im Bezirk Gmünd schmerzlich vermisst – das wollen wir ändern. Viele ÄrztInnen sind an ihrem Limit angekommen. Sie würden gerne neue PatientInnen aufnehmen, können aber nicht, weil es keine Kapazitäten mehr gibt“, weiß Bierbach: „Es zeigt sich, dass die Landarztgarantie der ÖVP wertlos ist.“ In vielen Gemeinden wurden die Planstellen zig-Mal erfolglos ausgeschrieben, aktuell wird in Hoheneich / Waldenstein ein/e AllgemeinmedizinerIn gesucht. Die Stelle ist seit April dieses Jahres ausgeschrieben. Inzwischen seien die Gemeinden diejenigen, die sich nach Kräften dafür einsetzen, dass die hausärztliche Versorgung gesichert ist. Nicht die Zuständigen im Bund, Land NÖ und der österreichischen Gesundheitskassa sind diejenigen, die für Ersatz kämpfen, wenn jemand in Pension geht – es sind die BürgermeisterInnen, denen die medizinische Sicherheit ihrer BürgerInnen am Herzen liegt. Immer wieder hört man von BürgermeisterInnen, dass sie professionelle Scouts einsetzen müssen, die für viel Geld Interessenten für Landarztpraxen finden sollen. Den ‚Zuschlag‘ bekommt in den meisten Fällen jene Gemeinde, die auch für entsprechende Rahmenbedingungen sorgen kann – beispielsweise Investitionshilfen bei der Übernahme von Praxen. Die Verantwortung wurde damit den Gemeinden aufgebürdet.“ Aber es seien nicht nur die Gemeinden, sondern vor allem die Verantwortlichen des Landes NÖ, die vollmundig Garantien aussprächen, gefordert, erklärt Bierbach: „Jetzt ist die Landeshauptfrau gefordert, ihre Versprechen endlich einzulösen!“


Rechenbeispiel 1 – Urologie:

-       Im Bezirk gibt es einen Urologen. Wenn man nur die Männer über 60 Jahre heranzieht, so kommen auf ihn 5.574 Patienten über 60. Hätte dieser alle 365 Tage des Jahres geöffnet, müsste er täglich 15 Männer untersuchen. Rechnet man die Samstage, Sonn- und Feiertage weg und geht von Öffnungszeiten von Montag-Freitag aus, wären das etwa 22 Männer täglich. Und dabei reden wir noch nicht von jener Altersgruppe zwischen 45 und 60, für die ebenso die Empfehlung ausgesprochen ist einmal im Jahr zur Vorsorgeuntersuchung zu kommen.


Rechenbeispiel 2 – Haut- und Geschlechtskrankheiten:

-       Im Bezirk Gmünd gibt es einen Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten mit Kassenvertrag. Auf diesen Facharzt kommen 36.085 BürgerInnen. Hätten diese alle 365 Tage des Jahres geöffnet, müsste jeder täglich 99 PatientInnen behandeln. Rechnet man die Samstage, Sonn- und Feiertage weg und geht von Öffnungszeiten von Montag bis Freitag aus, wären das 144 Patientinnen täglich. Alternative: WahlärztInnen oder ausweichen in andere Bezirke. 

 

EinwohnerInnen des Bezirks Gmünd (Quelle: www.noel.gv.at):

-       Gesamt: 36.085 (17.966 Männer; 18.119 Frauen)

-       Unter 15: 4.435 (2.265 m; 2.170 w)

-       15 – 60 Jahre: 19.585 (10.127 m; 9.458 w)

-       60 Jahre und älter: 12.065 (5.574 m; 6.491 w)


ÄrztInnen der wichtigsten Fachrichtungen im Bezirk Gmünd (Quelle: www.arztnoe.at):

-       Allgemeinmedizin: 21 mit Kassenvertrag; 7 ohne Kassenvertrag (+ 4 Vorsorge-ÄrztInnen)

-       Innere Medizin: 3 mit Kassenvertrag; 2 ohne Kassenvertrag (+2 Vorsorge-ÄrztInnen)

-       Augenheilkunde und Optometrie: 1 mit Kassenvertrag; 0 ohne Kassenvertrag

-       Radiologie: 3 mit Kassenvertrag, 0 ohne Kassenvertrag

-       Kinder- und Jugendheilkunde: 1 mit Kassenvertrag; 0 ohne Kassenvertrag

-       Frauenheilkunde und Geburtshilfe: 2 mit Kassenvertrag; 2 ohne Kassenvertrag

-       Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde: 1 mit Kassenvertrag, 0 ohne Kassenvertrag

-       Neurologie: 0 mit Kassenvertrag; 1 ohne Kassenvertrag

-       Lungenkrankheiten: 1 mit Kassenvertrag; 0 ohne Kassenvertrag

-       Haut- und Geschlechtskrankheiten: 1 mit Kassenvertrag; 0 ohne Kassenvertrag

-       Urologie: 1 mit Kassenvertrag; 0 ohne Kassenvertrag

Zwt.: Königsberger-Ludwig: Bisherige Maßnahmen gegen den Kassenärztemangel sind nicht ausreichend

„Der niedergelassene Gesundheitsbereich wird grundsätzlich zwischen Sozialversicherung und Ärztekammer geregelt. In quartalsweisen Stellenplangesprächen zwischen diesen beiden Institutionen wird die Besetzung der Kassenstellen festgelegt. Da es bei diesem Prozess nach dem Gesetz keine zugedachte Rolle für andere Akteure gibt, liegt es primär an den Krankenversicherungsträgern, attraktive Angebote zu schaffen und gemeinsam mit der Ärztekammer möglichst viele ÄrztInnen in das kassenärztliche System zu bringen“, stellte Königsberger-Ludwig klar.

 

„Leider können trotzdem immer wieder Stellen nicht besetzt werden, sodass die Politik mit Anreizsystemen oder Ersatzangeboten unterstützt. Zudem gibt es zwischenzeitlich eine Reihe von Vorschlägen, wie man dem Kassenärztemangel entgegenwirken kann“, merkte Königsberger-Ludwig an, die auch darauf verwies, dass die bisher durch die Mehrheitspartei im Land gesetzten Maßnahmen jedoch nicht ausreichen würden: „Was wir deshalb dringend benötigen, sind gesundheitspolitische Weichenstellungen, die ein leistungsstarkes, flächendeckendes und öffentliches Gesundheitswesen für die Zukunft garantieren und auf die wachsende Bevölkerungszahl, die kommende Pensionierungswelle und den fehlenden Ausbildungsschub die richtige Antwort geben.“

 

„Die SPÖ NÖ arbeitet an Lösungen, die sie – so wie das KinderPROgramm und das PflegePROgramm – mit allen politischen Fraktionen diskutieren wird, um das bestmögliche Angebot für die Menschen in diesem Land herauszuholen. Wir alle brauchen die Sicherheit, dass sowohl Vorsorge- und Routineuntersuchungen als auch die Akutversorgung gewährleistet sind! Dazu gehören etwa die Wiedereinführung des Gemeindearztes, die Verbesserung des Facharztangebots durch beispielsweise PVZ, Gruppenpraxen oder Anstellung von Ärztinnen und Ärzten in bestehenden Praxen und ein verändertes Aufnahmeverfahren an den Medizinunis. Aktuell werden vielfach jene ausgewählt, die sich nach dem Studium eher wissenschaftlich orientieren. Deshalb muss auf die soziale Kompetenz mehr Augenmerk im Verfahren gelegt werden“, sagte die sozialdemokratische Politikerin.

 

 „Die Lebensqualität in Niederösterreich steht im engen Zusammenhang mit der medizinischen Versorgung. Vor diesem Hintergrund muss neben den für die Besetzung der Kassenstellen gesetzlich vorgesehenen Einrichtungen auch die verantwortliche Politik im Bund und Land endlich ins Tun kommen und die notwendigen Reformen entsprechend auf den Weg bringen. Denn in Wahrheit ist es längst fünf nach zwölf“, erklären Bierbach und Königsberger-Ludwig abschließend.


Landarztgarantie der ÖVP gescheitert